„Ich ernährte mich eine Zeit lang vegan (vollwertig pflanzlich) und musste feststellen, dass es mir mental nicht so gut ging - Vitamin B12 Mangel trotz Supplementation.“
Solche und ähnliche Kommentare erreichen mich immer wieder. Und auch in Facebook-Gruppen, Foren & Co. lese ich vermehrt Aussagen dieser Art.
Egal, ob du gerade kurz vor deiner Ernährungsumstellung stehst, schon mittendrin bist, oder bereits auf vegan umgestellt hast – ich kann mir vorstellen, wie verunsichernd solche Erfahrungsberichte für dich sein können.
Vitamin B12 ist ein heiß diskutiertes Thema, wenn es um die vegane Ernährung geht. Bestimmt wurdest auch du schon damit konfrontiert, als du jemandem davon berichtet hast, dich frei von Tierprodukten ernähren zu wollen – oder es bereits zu tun.
Da über B12 sehr viel Unwissenheit und somit auch Unsicherheit herrscht, widme ich diesem Thema nun einen zweiten Beitrag.
>>Den ersten Blogpost mit grundlegenden Infos zu B12 findest du hier<<.
In diesem Artikel hier erkläre ich dir, was an der Behauptung dran ist, nach wenigen Wochen veganer Ernährung einen Vitamin B12 Mangel zu entwickeln. Und vor allem, was du bei der Supplementierung des lebensnotwendigen Nährstoffs unbedingt beachten solltest!
Vitamin B12 Mangel durch vegane Ernährung?
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Vielleicht hast du dich schon mal gefragt, warum B12 so ein großes Thema in der veganen Ernährung ist. Das ist kein Zufall, denn es stimmt – Vitamin B12 gilt als „potenziell kritischer Nährstoff“ in der veganen Ernährung. Der Grund dafür ist, dass du das Vitamin über die pflanzliche Ernährung nicht bzw. nur sehr unzureichend zu dir nehmen kannst.
Laut der Nationalen Verzehrsstudie II [1] erreicht aber auch ein erheblicher Teil der Menschen, die sich mischköstlich ernähren, die empfohlene tägliche Zufuhr von Vitamin B12 nicht. Warum dem so ist, erkläre ich weiter unten…
Deshalb rate ich dir dazu, den Nährstoff langfristig zu supplementieren und deinen B12-Versorgungsstatus regelmäßig (alle 1-3 Jahre) per Bluttest beim Arzt oder per Selbsttest von Zuhause* zu überprüfen.
Vitamin B12 Mangel nach wenigen Wochen vegan realistisch?
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Du solltest wissen, dass es sich bei B12 um ein sogenanntes „Speichervitamin“ handelt. Bis zu 50% des Vitamins werden in deiner Leber gespeichert, der Rest größtenteils in deiner Muskulatur. Der Gesamtkörperspeicher beträgt ca. 2-3 g mit einer Halbwertzeit von 1-4 Jahren.
Das bedeutet, dass es 1-4 Jahre dauert, bis die Hälfte der Speichervorräte abgebaut sind! Mangelsymptome wie Störungen des Nervensystems treten in der Regel erst auf, wenn der Bestand deines B12-Speichers auf 10% gesunken ist.
Wer sich also erst einige Wochen oder Monate pflanzenbasiert ernährt und dann einen Vitamin B12 Mangel diagnostiziert bekommt, hat diesen Mangel sehr wahrscheinlich bereits vor der Ernährungsumstellung auf vegan entwickelt!
Mischkost vs. Vegane Kost
Wenn du herausfinden möchtest, ob bzw. inwieweit sich deine Nährstoffversorgung durch die vegane Ernährung (positiv oder auch negativ) verändert, solltest du also im Idealfall vor deiner Ernährungsumstellung deinen Status quo ermitteln.
Viele Menschen lassen ihr Blut aber erst checken, wenn sie bereits etwas an ihrer Ernährung verändert haben. Das ist ein sehr typisches Phänomen, denn die meisten von uns, machen sich so gut wie nie Gedanken über ihre Nährstoffzufuhr. Es wird einfach gegessen, was schmeckt und fertig. Erst, wenn sie ihre Ernährung umstellen, tritt das Thema in ihr Bewusstsein und sie entwickeln ein Interesse für Nährstoffe & Co.
Und das hat in einigen Fällen leider die Folge, dass beim ersten Bluttest (nach der Umstellung) ein Mangel festgestellt und dann die neue Ernährungsform dafür verantwortlich gemacht wird. Dabei liegt das Problem oftmals schon an der alten Ernährungsform!
Bitte tappe nicht in die gleiche Falle!
Möchtest du deinen Gesundheitszustand vor und nach deiner Ernährungsumstellung auf vegan vergleichen, benötigst du auch entsprechende Ergebnisse von deiner Zeit vor der Umstellung!
Zudem solltest du dir ein gewisses Grundwissen über Nährstoffe aneignen und lernen, welche Nährstoffe in deinem Körper gespeichert werden. So vermeidest du, falsche Schlüsse zu ziehen und kannst richtig einschätzen, ob sich ein vorhandener Mangel bereits vor dem Vegan-Umstieg entwickelt hat oder erst seit deiner Ernährungsumstellung eingetreten ist.
Ein aufgefüllter B12 Speicher reicht wie gesagt mehrere Jahre, unsere Schilddrüse kann Jod für etwa drei bis sechs Monate speichern, die Speicherkapazität von Vitamin D beträgt ebenfalls mehrere Wochen bzw. wenige Monate, die von Vitamin B2 nur 2-6 Wochen und andere Nährstoffe, wie z.B. Zink, werden gar nicht gespeichert, weshalb wir auf die regelmäßige Zufuhr angewiesen sind.
Wie du siehst, gibt es hier große Unterschiede, die du kennen solltest, um deine Blutergebnisse nach der Ernährungsumstellung auf vegan richtig interpretieren zu können.
Vitamin B12 Mangel trotz Supplementierung?
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Vielleicht hat dich der Kommentar meines Zuschauers oben stutzig gemacht und du fragst dich, wie es sein kann, dass jemand trotz Supplementierung einen Vitamin B12 Mangel entwickelt. Und wie es möglich ist, dass so viele Menschen, die Tierprodukte konsumieren (welche bekanntermaßen B12 enthalten), trotzdem nicht ausreichend mit dem Nährstoff versorgt sind.
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns am besten an, wie Vitamin B12 überhaupt von deinem Körper aufgenommen wird:
Damit B12 in deinen Blutkreislauf aufgenommen werden kann, benötigst du ein bestimmtes Transportprotein (den Intrinsic Factor), welches in deiner Magenschleimhaut gebildet wird. Dieser sogenannte Intrinsic Factor bindet das Vitamin, sodass es über einen speziellen Rezeptor von deiner Darmschleimhaut aufgenommen wird.
So viel zur Biochemie, puh… Der Prozess ist natürlich noch viel komplizierter, aber diese vereinfachte Darstellung reicht erst mal aus, um den Rest zu verstehen.
Das Problem ist, dass der Intrinsic Factor nicht von jedem Menschen ausreichend stark produziert wird. Und somit sind B12-Supplemente in Tablettenform oder eben auch Vitamin B12-haltige Lebensmittel nicht immer effektiv.
Vitamin B12 richtig supplementieren
Aber keine Sorge, es trotzdem problemlos möglich, deinen Körper mit ausreichend B12 zu versorgen – du musst bloß wissen wie! Und dafür hast du ja mich 🙂
Vitamin B12 kann teilweise auch ohne die oben beschriebene Transport-Funktion über die Schleimhaut ins Blut gelangen. Bei dieser sogenannten „passiven“ Aufnahme ist die Aufnahmerate mit 1-2% jedoch nur sehr gering, weshalb die Dosen entsprechend hoch sein müssen, um deinen Bedarf zu decken. Denn bei der passiven Aufnahme werden bei einer Dosis von beispielsweise 1000 mcg lediglich 10 bis maximal 20 mcg B12 resorbiert.
Vielleicht hast du dich schon einmal gewundert, weshalb B12 Supplemente oftmals so hoch dosiert sind – z.B. mit 1000 mcg pro Dosis, obwohl die täglich empfohlene Zufuhr von B12 für Erwachsene zur 4 mcg beträgt. [2] Jetzt weißt du Bescheid!
Die optimale Darreichungsform
Die passive Aufnahme von Vitamin B12 ist zudem primär im Mundraum möglich. Deshalb eignen sich hochdosierte Tropfen* oft besser als Tabletten. Denn hierdurch kann ein Großteil des Vitamins bereits über deine Mundschleimhaut aufgenommen werden.
Eine Alternative zur flüssigen Darreichungsform sind Lutschtabletten*, welche unter die Zunge gelegt werden und sich dort langsam auflösen.
Daneben ist auch eine passive Aufnahme im Darm über die Darmschleimhaut möglich. Hier solltest du jedoch darauf achten, dass deine B12-Tabletten ebenfalls hochdosiert sind!
Wenn bei dir ein Vitamin B12 Mangel diagnostiziert wurde, dann ist eine Verabreichung per Spritze in den Muskel (durch medizinisches Personal) insbesondere empfohlen, um deine leeren B12 Speicher so schnell (und sicher) wie möglich aufzufüllen.
Mit angereicherten Produkten wie Zahnpasta oder Lebensmitteln wie Pflanzendrinks oder Säften kannst du deine Versorgung zwar gut unterstützen. Jedoch ist nicht gesichert, dass du mit diesen Produkten allein deinen B12-Bedarf ausreichend decken kannst. Ein Supplement ist also immer ratsam!
Die optimale Dosierung
Generell sind für eine regelmäßige Einnahme (2-3x die Woche) Präparate mit mindestens 500 mcg oder 1000 mcg zu empfehlen. Über eine Überdosierung musst du dir i.d.R. keine Sorgen machen, da überschüssiges B12 als wasserlösliches Vitamin über die Niere und den Urin ausgeschieden werden kann.
Bitte lasse deinen Versorgungsstatus regelmäßig ermitteln, um deine Supplementierung an deine individuellen Ergebnisse anzupassen!
Denkanstoß
Wie ich in >>diesem Beitrag über Vitamin B12<< erkläre, wird Vitamin B12 weder von Pflanzen noch von Tieren hergestellt. Sondern von Mikroorganismen, welche sich überwiegend im Erdboden befinden.
Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum nehmen diese Mikroorganismen aus der Erde mit den Pflanzen auf, die sie fressen. So gelang auch der Mensch früher an die nötigen Mikroorganismen – und zwar, indem er ungewaschenes Obst und Gemüse gegessen und aus Bächen getrunken hat, in denen die entsprechenden Bakterien vorkamen. [Das ist natürlich heutzutage nicht mehr möglich und ich rate dir auch nicht dazu, dich auf diese „Kontamination“ zu verlassen.
Doch 98% des Fleischs und der Tierprodukte, die du im Supermarkt kaufen kannst, stammen hierzulande aus der Intensivtierhaltung. Also von Tieren, welche nicht auf der Weide stehen und grasen, und somit auch nicht in Berührung mit diesen Mikroorganismen kommen. Sondern von Tieren, die eingeschlossen sind und Mais, Soja und Getreide gefüttert bekommen, welches mit B12 supplementiert wird.
Das heißt, dass auch Mischköstler und Vegetarier Vitamin B12 indirekt supplementieren, wenn sie Tierprodukte verzehren.
Warum also nicht direkt selbst B12 supplementieren, statt den Umweg über das getötete Tier zu nehmen?
Zumal wie oben erklärt die Aufnahme über die Nahrung nicht immer zu einer Bedarfsdeckung führt...
Auf die richtige Umsetzung kommt es an!
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Wenn du dich pflanzenbasiert ernährst und einen Nährstoffmangel entwickelst, dann ist nicht per se „die“ vegane Ernährung dafür verantwortlich. Sondern in den meisten Fällen die falsche Umsetzung!
Denn es ist problemlos möglich, dich als Veganer bedarfsdeckend zu ernähren. Wichtig ist, dass du Bescheid weißt, worauf es ankommt!
Wie hat dir dieser Beitrag gefallen?
Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel etwas Licht ins Dunkel bringen und Unsicherheiten bezüglich des Themas Vitamin B12 aus der Welt schaffen konnte!
Schreib mir gerne unterhalb in die Kommentare, was du Neues erfahren hast und lass dein Feedback zum Beitrag da. Ich freue mich, von dir zu lesen!
Vielen Dank für diesen wirklich informativen Beitrag!
Liebe Grüße,
Alex
Lieber Alex,
danke für deinen Kommentar!
Toll, dass dir unser B12 Beitrag weiterhelfen konnte.
Liebe Grüße ?
Hi, die Links für B12 Präparate gehen ins Leere !
GLG, Ilse
Ich danke dir für diese ausführliche Information über Vitamin B12 und die Supplementierung. Es war mir bisher nicht bewusst, dass man deutlich größere Mengen davon braucht, als ich mir gedacht habe. Vielleicht sollte ich wirklich Vitamin B12 Tropfen nehmen. Denn ich fülle mich schlapp und müde.
Hoffentlich liegt es an meinem Vitamin 12 Mangel und nicht an meinem Übergewicht oder der Arbeit.
Liebe Grüße!
Sehr gerne, lieber Daniel!
Schön, dass du wertvolle Erkenntnisse aus meinem Beitrag ziehen konntest.
Am besten lässt du deinen Vitamin B12 Status beim Arzt ermitteln, um deinen Versorgungsstatus zu erfahren. Bitte beachte, dass Abgeschlagenheit und Müdigkeit verschiedene Ursachen haben können – von anderen Nährstoffmängeln, psychischen Gründen, und viele weitere. Da kann dir dein Arzt oder Heilpraktiker des Vertrauens weiterhelfen.
Liebe Grüße
Sofia
Danke für den Beitrag! Ich lasse einmal jährlich ein Blutbild erstellen, um zu sehen ob meine Werte in Ordnung sind. Bis jetzt habe ich noch nie einen Vitamin B12-Mangel aufgewiesen. Ich supplementiere aber auch einen Vitamin B-Komplex von baerbel-drexel.de.
Alles Liebe,
Doris
Sehr gerne, Doris! Ich freue mich, dass du vorbeigeschaut hast.
Super, dass du deine Werte regelmäßig checken lässt – so soll es sein 🙂
Viele Grüße
Sofia
Oh, das erklärt einiges…
ich war letztes Jahr 8 Wochen im Krankenhaus und hatte totale Panik, weil meine Kinder auch vegan ernährt werden und ich Sorge hatte, dass die Nährstoffversorgung bei Oma nicht so gut klappen wird, weil sie es trotz Anweisungen nicht so gut umsetzen kann und nicht so Ahnung hat von der Zusammenstellung einzelner Zutaten, um die Aufnahme einzelner Nährstoffe zu verbessern. Es reicht ja eben nicht, Tierprodukte einfach wegzulassen 😉
Kurz nach dem Aufenthalt hatten wir die jâhrliche Blutabnahme – und die Werte waren einwandfrei!
Jetzt wird mir klar, dass das mit der Speicherung zu tun haben musste. Danke also für den Gedankenanstoß und den – wieder mal – tollen und verständlichen Artikel.
Danke für deinen lieben Kommentar Julia!
Freue mich, dass ich etwas Licht ins Dunkle bringen bzw. für einen Gedankenstoß sorgen konnte 🙂 Ich hoffe, das mit der Supplementierung bei den Kleinen klappt mittlerweile gut. Je nachdem wie alt sie sind machen vielleicht schon Lutschtabletten Sinn, ansonsten Tropfen unter die Zunge.
Ganz liebe Grüße!
Danke Sofia, toll geschrieben.
Danke für das nette Lob zu meinem Beitrag, lieber Oliver! Freue mich, dass er dir gefällt 🙂